Die Filmstarts-Kritik zu D-Tox - Im Auge der Angst (2024)

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D-Tox - Im Auge der Angst

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

2,0

lau

D-Tox - Im Auge der Angst

Von Johannes Pietsch

Irgendwie kann einem Sylvester Stallone ja leid tun. Was war die Welt doch noch einfach und simpel gestrickt, damals in den guten alten 80ern, als in Washington Ronald Reagen regierte und in Moskau das Böse lauerte, als man mit Stirnband, stupid-stereotypem Gesichtsausdruck und nacktem, Narben- und schweißperlenübersähtem Oberkörper die Feinde gleich im Dutzend billiger niedermetzeln durfte und als cineastische Meisterwerke wie George Pan Cosmatos' unvergleichliche "City-Cobra" ("This is where the law stops, and I start.") zum Standardrepertoire einer jeden guten bier- und schnapsseligen Videoparty gehörten.

Schon 1988 zeigte sich in "Rambo III", wie zielstrebig der Action-Archetyp der 80er Jahre in die Satire steuerte ("Was ist das?" "Blaues Licht." "Und was tut es?" "Es leuchtet blau."). Ende der 80er und Anfang der 90er schien der Ex-Rambo mit "Lock Up", "Tango & Cash" und vor allem Renny Harlins "Cliffhanger" seine Eintrittskarte in aufwendigen, teilweise sogar anspruchsvollen Action-Mainstream gelöst zu haben. Doch nach äußerst zwiespältigen Werken wie dem wüsten Comic-Trash "Judge Dredd" und Rob Cohens schwachem Katastrophenszenario "Daylight" geriet seine Erfolgskurve ins Trudeln. Zum kommerziellen Verhängnis wurde ihm ausgerechnet 1997 das außerordentlich ambitionierte, aber an den Kinokassen dramatisch durchgefallene Drama "Cop Land". Es war die Zeit, in der auch andere Muskel-Heroen der 80er wie Jean-Claude van Damme, Steven Seagal und sogar Arnold Schwarzenegger auf bittere Weise die Zeichen der Zeit und die Konsequenz des eigenen Alterns erkennen mussten. Vom "Niedergang der Fleischpaläste" schrieb Peter Zander 1999 in der Berliner Morgenpost. Während Kollege Schwarzenegger sich inzwischen vergleichsweise respektabel am eigenen Schopf aus dem Karrieretief ziehen konnte und Belgiens Testosteron-Dummy Van Damme endgültig im Nirvana der Videoregale verschwand, hetzt der ehemalige Rocky- und Rambo-Darsteller Stallone weiterhin verzweifelt seinem einstigen Ruhm hinterher. Und suchte sich dazu mit dem bereits 1999 gedrehten und erst jetzt in den Kinos gestarteten "Eye see you" (ein nettes Wortspiel, dessen Sinn sich erst gegen Ende des Films für den english-speakin' Zuschauer ergibt) eine denkbar schlechte Variante für einen Comebackversuch aus. Seine Hetzjagd auf einen Serienkiller im tiefen Schnee der winterlichen Rocky Mountains möchte genauso düsterer Thriller im Stil von "Sieben" wie raffinierter Slasher Marke "Scream" sein und ist doch nur ein dümmlicher und fader Abklatsch der ohnehin völlig totgenudelten Teenie-Schlitzer-Welle - nur ohne Teenies.

Dabei hätten Motiv und Setting das Potential für einen durchaus formidablen Reißer hergeben können. Der "lonesome wolf" auf der Jagd nach dem psychopathischen Killer, der ihm die Verlobte ermordete, die Abgeschiedenheit eines einsamen Sanatoriums in den tiefverschneiten Rockys, die klaustrophobische Atmosphäre einer unterirdischen Bunkeranlage - was hätte ein versierter Regisseur daraus alles machen können? Doch Jim Gillespie, der sich 1997 mit "I know what you did last summer" als erster auf die Karawane der "Scream"-Nachäffer schwang, profilierte sich dabei bereits als mehr schlechter denn rechter Kopierer. Hier gerät ihm so ziemlich alles daneben, was einem Regisseur beim Anrühren der Blutsuppe neben den Kessel mit den Innerein plumpsen kann.

Dass der tragische Held Sylvester Stallone heißt, sich das schüttere Haupthaar inzwischen künstlich aufdichten lässt, dagegen immer noch nicht schauspielern kann und selbst beim Kauf eines Verlobungsringes die Unterlippe nach links unten dehnt, als würde Adrian Balboa mit dem gesammelten Weltschmerz aus zwanzig Profiboxkämpfen dran zerren - egal, so kennen und lieben wir ihn, unseren Sly. Dass der 55-Jährige auf Anfang 40 getrimmt wird und die hübsche Dina Meyer aus "Starship Troopers" knutschen darf, die kurz darauf auf äußerst unappetitliche Weise das Zeitliche segnet - uninteressant, es ist nur Exposition. Hier darf Sly wirklich ganz herzerweichend den gebrochenen Mann markieren, wenn er beispielsweise bei der Jagd nach dem Killer in einem verfallenen Industriekomplex von Angehörigen eines Sondereinsatzkommandos rüde zur Seite gerempelt wird oder den Zuschauer mit triefendem Leidensblick aus tiefblau kajalgetönten Augenhöhlen so gedankenschwere Sätze entgegengreint wie: "Wenn sie mich nicht kennengelernt hätte, wäre sie noch am Leben."

Doch dann geht's ins Eis der Rocky Mountains, in ein Sanatorium für schwer erziehbare und nebenbei noch alkoholkranke Gesetzeshüter, und nun wird der Film wirklich ärgerlich. Jetzt sitzt unser Held auf einmal eingesperrt in einer unterirdischen Bunkeranlage in einer Runde ebenso lebensmüder Ex-Cops, von denen jeder seine eigene seelische Bürde in den Fluten von Jim Beam ertränken wollte. Und was Gillespie hier mit durchaus namhaften Hollywooddarstellern wie Tom Berenger, Kris Kristofferson oder Robert "Ich heiße Agent Doggett und nicht T-1000" Patrick an Pappmachée-Witzfiguren aus dem Klischee-Katalog für Standard-Thriller-Charaktere, Marke: billig, auffährt, spottet jeder Beschreibung.

Natürlich wird man durch einen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten, ist auf sich allein gestellt und - potzblitz, welch Überraschung, ja wer hätt's gedacht - auch unser Mörder ist auf einmal mittendrin und gleich schwer aktiv. Wenn man jetzt noch wenigstens ein leidlich spannendes Zehn-Kleine-Coplein-Spiel verfolgen könnte, aber das Abzählen der Schäflein im eisigen Frost, das durch dunkle Gänge Schleichen, das gegenseitige Verdächtigen, Einsperren, sich Überwältigen und Voreinanderweglaufen bei zwanzig Grad unter Null (was John Carpenter 1982 so phantastisch in "The Thing" zelebrierte) erfolgt derart stupide, monoton und einschläfernd, als ginge es um den Ausflug einer Koronarsportgruppe zum Snowboarden. Nicht ein Quäntchen Gedankenfleiß wurde beim Drehbuch in eine halbwegs intelligente Motivation für den Täter gesteckt, viel schlimmer, der Grund für seinen Hass auf Sylvester Stallone alias FBI-Agent Malloy wird noch nicht einmal verschleiert, sondern gleich zu Beginn des Films in einem Telefonat enthüllt. Und anstatt bis zum Schluss falsche Fährten auf die wahre Identität des Schlitzer-Hannes zu legen und erst im Showdown mit seiner Demaskierung den Zuschauer ein finales Mal zu überraschen (was selbst den dämlichsten Teenie-Slashern noch einen Hauch von Unterhaltsamkeit verlieh), erfolgt das Coming-Out hier schon lange vorher und genauso beiläufig und austauschbar wie das Tatmotiv des Killers.

Und endgültig zum Final Disease gerät der Film, betrachtet man all die Kleinigkeiten, bei denen Gillespie & Co. geschludert haben: Da schneidet sich Stallone zu Beginn des Films das linke Handgelenk auf und - Schnitt - hat in der nächsten Szene am rechten Unterarm einen Verband. Da rennen die Darsteller bei arktischen Temperaturen permanent im Freien herum, und keinem der Filmemacher fällt ein, dass Menschen dann in der Regel kleine Wölkchen kondensierten Wassers vor dem Mund aufsteigen (die Coens nutzten dies so genial zur bildlichen Darstellung der Kälte in "Fargo") - nein, solches Dilettantentum hat der Held der Videoparties unserer Jugendzeit nicht verdient!

Ein wenig versöhnliche Nostalgie ist dann beim Final Showdown angesagt, wenn unser aller Sly wie in den glorreichen 80ern und zu besten George-Pan-Cosmatos-Zeiten noch einmal über sich hinauswachsen, bärenstark sein und das Hohelied der Selbstjustiz anstimmen darf. "You're the disease, and I'm the cure." Ehre sei mit Dir, Marion Cobretti! Ruhe in Frieden!

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Author: Jerrold Considine

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